Seit mehreren Jahren beschäftige ich mich intensiv mit der Thematik Nachhaltigkeit, insbesondere mit deren Einführung in Organisationen. Den Rahmen dafür bildete mein Engagement bei PAUL Consultants, einer Studentischen Unternehmensberatung in Dresden. Meine Learnings aus dieser Zeit sammle ich in diesem Text und freue mich sehr, sie zu teilen. Nebenbei verhilft mir der Schreibprozess, die letzten Jahre zu reflektieren und zusammenfassen zu können.
Was ist Nachhaltigkeit überhaupt? Ich nutze gern die Beschreibung des Brundtland-Reports und deren Anwendung für die Sustainable Developement Goals. Der Brundtland-Report entstand 1987 aus der Arbeit einer unabhängigen Sachverständigenkommission, gegründet durch die Vereinten Nationen. Er gilt als Startpunkt für den weltweiten Diskurs über Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige Entwicklung. Es heißt:
Nachhaltigkeit ist die Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen und ihren Lebensstil nicht wählen können.
Diese abstrakte Darlegung schafft die Frage, welche konkreten Lebensbereiche betroffen sind. Sehr gut passen an diese Stelle die Sustainable Developement Goals (SDGs), die von allen Mitgliedern der Vereinten Nationen 2015 als Ziele der nachhaltigen Entwicklung für die Agenda 2030 beschrieben wurden. Sie reichen von „no poverty“ (1) und „zero hunger“ (2) über „industry, innovation and infrastructure“ (9) zu „climate action“ (13) und „partnership for the goals“ (17). Die SDGs zeigen sehr deutlich, in welchen Lebensbereichen Nachhaltigkeit überall mitgedacht und implementiert werden muss. Es gilt: Think global, act local!
Nachhaltigkeit ist nach der oben genannten Definition nur durch die Einhaltung der Regenerationsgrenzen zu gewährleisten. Dafür sind verschiedene Strategien nötig, die gemeinsam wirken. Neben Effizienz (= besser produzieren: Produkte werden unter geringerem Ressourcenverbrauch hergestellt) sind Konsistenz (= anders produzieren: Produkte werden nach dem Vorbild der Natur konstruiert und bestehen in Kreisläufen) und Suffizienz (= weniger produzieren: Produkte werden konsumiert, um Bedürfnisse zu befriedigen) wichtig und müssen umgesetzt werden.
Learning No. 1: Für mich ist die vier-dimensionale Betrachtung von Nachhaltigkeit (ökologisch, kulturell, gesellschaftlich, ökonomisch) zur Anwendung in Organisationen ein guter Weg.
Der bekannten Dreiklang aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit kann durch die Teilung der sozialen Dimension in kulturell und gesellschaftlich leichter verstanden und analysiert werden. Die Abbildung ist in meiner Zeit bei PAUL Consultants entstanden und zeigt, welche Aspekte die vier Dimensionen beispielhaft beinhalten. Damit können der Status Quo der Nachhaltigkeit in einer Organisation festgestellt und Angriffspunkte für eine nachhaltige Gestaltung aufgezeigt werden. Mir ist bewusst, dass die Beschreibungen zunächst vor allem auf Organisationen in Industriestaaten zutreffen und nicht direkt global angewendet werden können.
Learning No. 2: Die Erstellung eines Nachhaltigkeits- oder CSR-Berichtes ist unabdingbar, um die ökologischen Stärken und Schwächen einer Organisation zu identifizieren und passende Maßnahmen zu erarbeiten.
Zu Beginn meines Engagements für Nachhaltigkeit bei PAUL Consultants erschien es mir als logischer Ansatz, die „Basics“ umzusetzen. Also im Büro nur noch Recyclingpapier zu verwenden, auf die Mülltrennung zu achten, auf Strom mit Ökoumlage umzusteigen etc. Ich nahm an, damit ein hohes Maß an CO2-Äquivalenten (zusammengefasst als CO2e) einzusparen. Doch woher kam meine Annahme? Ich wusste es nicht. Erst die Erstellung eines internen Nachhaltigkeitsberichtes, inklusive der Berechnung des gesamten CO2e-Fußabdrucks der Organisation, zeigte mir die tatsächliche Datenlage: Der Ausstoß an CO2e, der durch die Arbeit im Büro verursacht wird, liegt nur bei ca. 1-2 % der Gesamtemissionen von PAUL Consultants. Es ist ökologisch sinnvoller, Maßnahmen in Bereichen mit höherem Anteil an den CO2e-Emissionen (z. B. Projektarbeit oder Events) umzusetzen und sich auf diese zu fokussieren. Dies stellt für mich einen ganz eigenen Zugang zum so wichtigen Prinzip der Wesentlichkeit dar.
Weiterhin wurde durch die Quantifizierung der Emissionen erstmals möglich, konkrete Zielvorgaben/Key Performance Indicators zu definieren, die eine Reduktion des CO2e-Ausstoßes vorsehen. Damit wird jede*r Vorstandsvorsitzende*r dazu angehalten, zum einen jährlich die Emissionsmessung zu wiederholen und sich zum anderen zu rechtfertigen und zu begründen, wenn und warum im schlimmsten Fall eine CO2e-Reduktion nicht stattgefunden hat.
Learning No. 3: Große Wirkung in einer Organisation schaffen Maßnahmen, die Awareness für Nachhaltigkeit bringen und damit schrittweise zu kulturellem Wandel führen.
Es gibt keine anhaltende nachhaltige Entwicklung einer Organisation, wenn nicht jedes Mitglied in allen unternehmerischen Entscheidungen Nachhaltigkeit mitdenkt, reflektiert und bereit zu einer Veränderung ist. Ein verändertes Mindset der Mitglieder wirkt sich ebenso auf deren Privatleben aus und fördert dort nachhaltige Alternativen. Ein „cultural change“ zu mehr Nachhaltigkeit schafft damit den größten Impact in einer auf das Angebot von immateriellen Dienstleistungen ausgerichteten Organisation.
Welche Maßnahmen können diesen Wandel befördern? Es ist wichtig, Sichtbarkeit zu schaffen, und zwar regelmäßig und über einen längeren Zeitraum verteilt. Beispielsweise habe ich Nachhaltigkeit innerhalb von zwei Jahren jeden Monat durch eine der unten genannten Aktionen thematisiert, und konnte danach tatsächlich bei vielen Mitgliedern von PAUL Consultants eine veränderte Einstellung beobachten.
Hier eine Auswahl an einfachen, aber wirksamen Aktionen (an allen müssen die Mitglieder einer Organisation die Möglichkeit haben, sich ausschließlich freiwillig zu beteiligen):
- Oben besprochene „Basics“ im Büro umsetzen und in einem Pitch den Mitgliedern vorstellen (die „Basics“ haben sich also doch gelohnt!)
- Schulungen zu Grundlagen der Nachhaltigkeit anbieten (Inhalte bspw. Begriffsdefinition, Corporate Social Responsibility, Beispiele anderer Unternehmen), möglicherweise in Kooperation mit einem ansässigen Umweltverein
- Durchführung eines „Leuchtturmprojektes“, das einen konkreten Bereich nachhaltiger macht und als Vorbild für weitere Transformation dient, bspw. Umstieg auf Job-Bikes und Job-Ticket statt Firmenwagen
- Veranstaltung von Themenabenden/Netzwerkveranstaltungen, bei denen ein*e Expert*in eingeladen wird
- Diskussionsrunden zu einem Teilbereich der Nachhaltigkeit anbieten, bspw. unter der Frage „Was bedeutet Diversity für dich?“
- Beteiligung an Spendenaktionen (bspw. mit Spendendose auf der Weihnachtsfeier und definiertem Spendenbetrag durch die Organisation), Baumpatenschaften, Baumpflanzaktionen etc.
- Müllsammelaktionen durchführen (Handschuhe, Müllsäcke etc. können durch die Stadtverwaltung gestellt werden)
- Erstellung und Veröffentlichung eines Infoblattes für Privatpersonen zum Thema Nachhaltigkeit im Alltag
In der gesamtgesellschaftlichen Betrachtung wird klar, dass Zukunftsfähigkeit fest mit Nachhaltigkeit verbunden ist. Es geht nicht mehr um die Frage, ob eine Organisation das Thema bearbeitet, sondern darum, wie und in welchem Zeitraum etwas geschieht. Nachhaltigkeit ist nicht zuletzt durch die Demonstrationen von Fridays For Future in der Mitte der Gesellschaft und der Wirtschaft angekommen. Selbst in Gesprächen mit Vertreter*innen „konservativ“ gestaltender Unternehmen spielt das Bestreben zu Nachhaltigkeit eine Rolle, auch wenn dort zunächst „Greenwashing“ von tatsächlichen Lösungen getrennt werden muss. Dennoch: der Begriff ist bekannt, Kompetenzen werden aufgebaut und der gesellschaftliche Druck wird nicht mehr sinken. Lasst uns jetzt alle aktiver werden, Menschen inspirieren und gemeinsam eine Lebensgrundlage für zukünftige Generationen schaffen!
Autor: Una Sprenger